Stadtverordnetenrede zum Stoll-Gelände vom 14. Dezember 2017

Stadtverordnetenrede

(es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher Hahn,

sehr geehrte Damen und Herren,

um Ihnen die Position der überwiegenden Mehrheit meiner Fraktion darzustellen, möchte ich mich eines Vergleiches bedienen. Es ist nämlich irgendwo wie in einer unglücklichen Beziehung.

Ein spannendes Konzept, eine das Parlament überwiegend begeisternde architektonische Lösung, ein Projekt, von dem man sich Erfolg erhoffte. So in etwa hat diese Stadt die Pläne rund ums Stoll-Gelände, damals, mit dem GEDO-Konzept kennenlernen dürfen. Das war ein wenig so, wie wenn man sich verliebt. Schöne Augen, wallendes Haar, scheint richtig süß zu sein, sympathisch. Also geht man eine Verbindung ein und hofft auf die große gemeinsame Zukunft. Doch je besser man sich kennenlernt, desto öfter gibt es Streit, gibt es Probleme. Jahre später ist die große Liebe, von der man mal dachte, etwas Schöneres habe man im Leben noch nicht gesehen, auf einmal noch allenthalben „nett anzuschauen“. Die eigenen Freunde machen negative Bemerkungen (fragen Sie mal die Einzelhändler in der Innenstadt), aber Sie verteidigen ihre große Liebe ohne Rücksicht auf Verluste. Und dann steht man da und realisiert, „der große Wurf war das nicht“. Aber wenn man so lange schon zusammen war, dann trennt man sich nicht so leicht.

Wenn man aber wirklich merkt: Man will diese einstmals große Liebe eigentlich selbst nicht wirklich und um einen herum findet sich niemand mehr, der noch sagt „Ach, ihr passt aber gut zusammen“, stattdessen eher „Schau mal, was für ein Trauerspiel“… Dann komme ich doch nicht auf die Idee und beschließe, dass ich mir jetzt dauerhaft den Namen dieser verflossenen Liebe im Großformat auf den Oberkörper tätowieren lasse!

Denn genau solch eine dauerhafte Entscheidung für ein Projekt, was hier niemand mehr wirklich unterstützt, was in dieser Stadt niemand möchte, soll heute gefällt werden! So dauerhaft wie eine verhunzte Tätowierung.

Es gibt von vielen Seiten berechtigte Zweifel – die Stadt und die Verwaltung teilen die Meinung des RP bezüglich der „Teil-Integrität“ nicht, die Bedenken des Küchenstudios Kern und von Erlebnis Bad Nauheim werden ebenfalls nicht berücksichtigt. Wir haben also durchaus berechtigte Zweifel, dass die Stadt hier in jedem Punkt richtigliegt.

Ja, es ist verdammt spät, an den Plänen für das Stollgelände zu rütteln. Die einzigen, die nie für das Fachmarktkonzept waren, waren in der Tat die Stadtverordneten der SPD. Aber lieber Markus Philipp (UWG), nur zu kommentieren „Wieso komm ihr da jetzt erst mit?“, als ich bei der Bauausschusssitzung nochmals reines Gewerbe – woran es uns nämlich klar fehlt – ins Spiel gebracht habe, hilft nicht. Die Alte taugt nix mehr, schieß sie in den Wind und suche dir was Ordentliches! Etwas, was wirklich passt. Damit daraus noch eine Lovestory mit Happy Ending wird.

Einziger Knackpunkt ist natürlich, dass man sich an Bequemlichkeiten in dieser Beziehung festhält. Was für die einen gemeinsames Frühstücken, ein romantischer Kino-Abend oder gemeinsames Kuscheln ist, ist am Stoll-Gelände die sprudelnde Geldquelle, die Altlastenentsorgung und die nicht zu zahlende Verkehrsanbindung. Davon will sich niemand trennen. Trotzdem – die Verantwortung würden wir übernehmen: Scheiden tut nun mal weh. Wir sind guter Dinge, mit der Salus-Klinik auch ohne die Stoll-Pläne rechnen zu dürfen, immerhin ist die Salus-Klinik dem Vernehmen nach mehr auf uns angewiesen als wir auf sie. Da wird man sich sicher einig.

Es fehlt bei dieser Entscheidung darüber hinaus an Loyalität zu einem seit 1978 in Bad Nauheim steuerzahlenden Familienbetrieb. Ich verbitte mir in dem Zusammenhang die ewige Kritik, die FDP Bad Nauheim würde hier nach den Regeln von Planwirtschaft und Protektionismus den Wettbewerb verhindern wollen. Ist es Ihnen lieber, wenn wir als Lobbyisten der Großunternehmen auftreten und keinen Wert auf Traditionsunternehmen und gutes Handwerk legen? Wir sind Kommunalpolitiker und für das Wohl dieser Gemeinde stehen wir mit liberaler Überzeugung ein – das bedeutet, wir verurteilen es, wenn wie in diesem Fall ein Unternehmen wie Küchenstudio Kern ohne Not und ohne einleuchtenden Grund (der Küchenmarkt ist in dieser Gegend ausreichend bedient, denken Sie an die pleitegegangenen Küchenstudios in Friedberg) zusätzliche Konkurrenz in die eigene Stadt bekommt. Das ist nämlich durchaus FDP, das ist richtige und wichtige Mittelstandsabsicherung und das ist ein klares Ja zu den Händlern, die Bad Nauheim großgemacht haben. Was Sie vorhaben, ist ein unnötiges und ohne Not geborenes Eingreifen in die Wettbewerbssituation, die selbst nur zweite Wahl des Investors ist.

Das Konzept, was heute zur Abstimmung steht, ist faul. Es ist bei kaum jemandem beliebt. Es sorgt nicht für eine besonders positive Entwicklung dieser Stadt. Es könnte alteingesessenen Händlern das Genick brechen. Es ist städtebaulich schon lange kein Brüller mehr. Wir brauchen es nicht und daher brauchen wir es auch nicht zu unterstützen. Es tut mir leid, liebe Verwaltung, die Sie von uns über Jahre beauftragt wurden, weiter und weiter zu machen. Aber an dieser Stelle sagen wir klar: Nein. Und wir werben darum, das gleiche zu tun – denn das hat mir einer glücklichen Liebesbeziehung nichts mehr zu tun.